Kommentar zur aktuellen Situation

Seit einigen Tagen habe ich Beiträge, die mir gut gefallen haben, geteilt. Die Resonanz war durchaus gut. Gleichzeitig werde ich seit einigen Tagen vermehrt gefragt, ob ich nicht wieder in irgendeiner Weise Aufklärungsarbeit leisten will. Oder ich werde in Diskussionen verlinkt oder anderes.

Ich gebe zu, mir fehlte die Motivation. Ich bin zutiefst schockiert von diesem postfaktischen Zeitalter, dass mich frappierend an das präfaktische Zeitalter der Frühen Neuzeit erinnert. Wenn ich die Videos der Leerdenkerdemos sehe, kann ich mir gut vorstellen, wie Menschen, die sich damals Unwetter und Seuchen tatsächlich nicht erklären konnten, gegen Sündenböcke aufgehetzt werden konnten.

Heute liegen die Informationen allen frei zugänglich vor. Dennoch zieht es ein Viertel der Erwachsenen in Deutschland und in Thüringen noch ein paar mehr vor, sich zu desinformieren. Nein, sie werden nicht desinformiert, sie übernehmen das selber. Keiner dieser Menschen käme auf die Idee, sein Auto vom Bäcker reparieren zu lassen, weil die Werkstatt ein Werkzeug der Autoindustrie wäre. Dennoch vertrauen sie bei einer Pandemie, die allein in Deutschland annähernd 100.000 Tote gefordert hat, nicht dem Harvard-Epidemiologen oder dem Virologen, der Corona-Viren seit Jahren erforscht, sie vertrauen den YouTube-Videoschnipseln eines veganen Kochs oder eines drittklassigen Entertainers. Und sie meinen nicht nur, damit die Pandemie an sich zu verstehen, sie glauben sich auch einer Weltverschwörung auf der Spur, bei der sich jeder normaldenkende Mensch fragen würde, wie blöd diese Verschwörer sein müssten, um sich so leicht enttarnen zu lassen.

Aufgerüstet mit diesen „Kenntnissen“ stürzen sich die Ungeimpften aggressiv in die öffentliche Debatte. Regelmäßig hört man das an pubertären Trotz grenzende Argument, wenn die Impfung schützen würde, bräuchte man die Geimpften ja nicht vor den Ungeimpften schützen. Mal unabhängig davon, dass es nachvollziehbare Gründe für die sogenannten Impfdurchbrüche gibt, begreifen diese Leute nicht, dass es gar nicht zuerst darum geht, Geimpfte oder Ungeimpfte zu schützen. Es geht darum, dass die Impfverweigerer gerade die Krankenhäuser und Intensivstationen fluten. Und genau hier zeigt sich wieder sehr deutlich die völlige Inkonsistenz ihrer Haltung.

Der Aufforderung der Ärztinnen und Ärzte, sich impfen zu lassen, folgen sie nicht. Wenn es dann aber so kommt, wie es zunehmend kommen muss, dann ist genau der warnende Intensivmediziner natürlich gerade recht. Und derselbe Mensch, der der bösen Pharmaindustrie die Handvoll Euro für die Impfung nicht gönnt, nimmt billigend in Kauf, dass seine ITS-Behandlung zehntausende Euro kostet, von denen ein erheblicher Teil genau bei dieser Industrie landet.

Und wenn ich das Argument der möglichen Langzeitfolgen höre, möchte ich verzweifeln. Ich kann nicht von jedem Menschen erwarten, die biochemischen Grundlagen zu kennen oder zu verstehen. Ich kann aber erwarten, dass sie denen vertrauen, die ihr Berufsleben mit diesen Fragen verbringen. Oder man überlegt sich, wie man sich in anderen Fragen verhält. Verzichtet man etwa auf Schmerzmittel, bei denen die Langzeitfolgen erwiesen sind und die immerhin ein Kerngeschäft der bösen Pharmaindustrie sind? Oder denkt man beim Bier oder der Rostbratwurst an die erwiesenen Spätfolgen? Und wer beim Anzünden einer Zigarette nicht weiß, dass das Folgen hat, oder glaubt, die Tabakindustrie wäre netter als die Pharmaindustrie, ist so bescheuert wie seine Entscheidung, sich nicht impfen zu lassen.

Was derzeit läuft, wird in einigen Jahren als Sternstunde der modernen Medizin gelten. Keine zwei Jahre nach dem Auftreten einer hochgefährlichen Seuche gibt es nicht nur eine Impfung, weltweit sind, Stand Montag, 7,54 Milliarden Impfdosen verabreicht worden und 41,3 Prozent der Menschen weltweit mindestens zweimal geimpft. Es macht mich schier wahnsinnig, dass die Freude über diesen Erfolg von einigen Vollpfosten getrübt wird, die „postfaktisch“, eigentlich unfaktisch, dumme, egoistische und asoziale Entscheidungen treffen.

Warum schreibe ich das? Ich werde in den nächsten Tagen wieder selber Argumente in unterschiedlicher Form zur Verfügung stellen. Nicht, um die Handvoll Skeptiker in meinem FB-Freundeskreis zu überzeugen, sondern um vielleicht Diskussionen zu unterstützen, die Ihr alle irgendwo führen müsst.